Wenige Kilometer von unserem Wohnort in Lichterfelde gab es einmal im Jahr die “Steglitzer Festwochen”. Neben einem asphaltierten Weg durch eine Grünanlage reihten sich diverse Fahrgeschäfte, Schießbuden und Freßstände. Und für mich als Kind war das eine faszinierende Welt, in die ich gerne intensiv eingetaucht wäre. Sehe ich heute das alte Riesenrad an, dann wird mir bewusst, wie wenig groß und spektakulär es ist, verglichen mit dem, was es heute alles gibt. Aber damals war es für mich riesig und ich wäre gerne damit gefahren. Auch liebte ich Autoscooter, so lange wie möglich stand ich davor, sah dem heftigen Treiben zu und wäre gern mitgefahren. Ganz sicher durften wir mal auf dem Karussel fahren, eventuell gab es auch mal Chips für den Autoscooter. Manchmal, so meine ich mich erinnern zu können, gab es Zuckerwatte, natürlich nur eine gemeinsame für alle Kinder. Alles stand unter dem Diktat des “….das können wir uns nicht leisten” und dem “….für so einen Quatsch geben wir kein Geld aus”.
Noch heute werde ich immer wieder mit genau diesen Spuren konfrontiert, die tief in mir eingebrannt sind. Sie wurden noch verstärkt durch die erheblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten am Ende meines fotografischen Betriebs und besonders in der Zeit danach. Immer stand die Frage im Raum, ob es das Vergnügen, die Freude oder der Spaß wert sind, dafür Geld auszugeben. Und es ist ganz egal, ob es ein Kinobesuch ist, ein neues Kissen für mein Bett, eine besonders Zutat zum Kochen oder eine gute Flasche Wein. Immer wieder tritt die Lebensfreude ihren existenziellen Kampf gegen die Vernunft an. Und hinter der Vernunft stehen noch weitere Kämpfer, nämlich Nutzen, Geld und Angst. Zusammen sind sie eine ziemliche Macht gegenüber der Lebensfreude, die dadurch meist zu kurz kommt.
Gerade erlebe ich diesen Widerstreit in mir besonders stark. Und er kommt mir vor wie ein Ringen zwischen dem großen und dem kleinen Matthias. Letzterer würde gern etwas Verrücktes tun, etwas, wo alle den Kopf schütteln und die Unvernunft bemängeln würden. Er würde gern die Lebensfreude sprühen lassen, bis sie Funken schlägt und es richtig krachen lassen. Mir scheint, er würde gern etwas aufholen und ausgleichen, was er als kleiner Matthias im realen Leben nicht hatte und sich damit für die Zeit des Mangels als Kind rächen wollen. Aber der Große lässt ihn nicht, stets mit dem Argument der Vernunft und des Geldes. Und all das spielt sich seit Wochen in mir ab und zermürbt mich ziemlich.
Wann ist es das Geld wert, ganz ohne Reue für die Freude eingesetzt zu werden? Und wo ist dabei die Grenze zwischen Vernunft und Unvernunft?
Kannst Du nicht auch etwas Verrücktes tun und Lebensfreude sprühen lassen ohne viel Geld zu haben?
Lieber Stephan,
es geht nicht um Geld haben oder nicht. Es geht um die ständige Auseinandersetzung mit mir selbst, ob ich mir etwas “Unvernünftiges” leisten kann und dadurch eventuell Spaß unbd Freude am Leben wahrnehme…..
Natürlich kann man das! Der Fokus verändert sich aber, wenn der gefühlte Mangel an Lebensfreude nicht durch eine Autoritätsperson sondern auf Grund von vermeintlichem Geldmangel entsteht.
Und wer hindert mich daran, Geld für eine Scooterfahrt auszugeben? Ich muß dann nur hinnehmen, dass es eben in den nächsten Tagen möglicherweise kein besonderes Essen oder die neue Jeans erst im nächsten Monat gibt. Na und?
Liebelein…lass es krachen. MACH ES!!!!! Du lebst nur einmal!!!!
…. Kann vieles nachvollziehen lieber Mathias – ich kenne das auch!!!