Es gibt so Momente, da ärgere ich mich vehement über mich selbst. Gestern war so ein Tag. Nach einer ruhigen Nacht auf einem schönen Platz in Lake Morena, mit deutschen Nachbarn, habe ich mich in morgendlicher Gelassenheit auf den Weg gemacht. Und das erste Stück des Weges ging ganz gut. Vielleicht sollte ich hier einmal den Weg ein bisschen beschreiben. Bisweilen ist es loser Sand, worauf es sich so ähnlich geht, als wäre man am Strand. Dann wieder ist es eher eine Anhäufung großer Steine, über die man zu steigen hat. Manchmal muss man sich auch durch die Pflanzen drängen, die den Weg fast zurückerobert haben. Meist geht es bergauf und die Wege sind sehr sehr steinig, teilweise auch mit losen Steinen.
Ich merke, dass es mir ungeheuer viel schwerer fällt als ich dachte. Während ich auf durchschnittlichem Gelände locker meine 5-6 km pro Stunde laufen kann, waren es gestern nur etwa 2 Meilen. Ich war enttäuscht von mir. Ich hätte mir mehr zugetraut und wurde immer langsamer. Diese langen Anstiege strengen mich sehr an, kombiniert mit der Wärme, die in der Sonne herrscht. Es geht zwar ein frischer Wind, der jedoch die Wärme der Sonne nur unwesentlich mindert. Ich kann auch nicht sagen, ob es nicht auch die Höhe ist, die mir zu schaffen macht, denn ich bin fast 2000 m hoch.
Und ich machte wieder mal einen Fehler, wie so oft. Als ich das Gefühl hatte, dass jeder weitere Schritt ein Fehler wäre, entschied ich mich, mit einer deutschen Wanderin noch weitere 2 Meilen zu laufen. Wir hatten noch nicht die Hälfte dieser 2 Meilen geschafft, als ich merkte, dass ich mich übernommen hatte. An einer wenig geeigneten Stelle entschied ich mich, sie allein weitergehen zu lassen und mein Zelt dort aufzubauen.
Nachdem sie weitergegangen war und ich mir diesen Platz genauer anschaute, merkte ich zum Einen, dass er eher ungeeignet war, und zum Zweiten, dass mich das Alleinsein furchtbar bedrückte. Nach einer längeren Pause, die ich nicht ausdehnen wollte, weil der Wind so kalt war, beschloss ich, hinter ihr herzugehen. Alle 100 Schritte blieb ich stehen, um wieder zu Atem zu kommen, teilweise setzte ich mich auf Steine, weil ich das Gefühl hatte, nicht mehr weiterzukönnen.
Natürlich habe ich es geschafft, noch bis zu diesem kleinen Platz zu kommen, wo mehrere Zelte aufgestellt waren. Ich war platt wie selten. Äußeres Zeichen dafür war, dass ich ungeheuer fror, meine Arme und vor allem die Hände wollten überhaupt nicht mehr warm werden. Möglicherweise habe ich auch den Fehler gemacht, nicht genau darauf zu achten, dass ich genug esse. Seit ich auf dem PCT bin, habe ich das Gefühl, überhaupt keinen Hunger zu haben.
Also baute ich mein Zelt auf, im Verhältnis zum vorherigen Tag allerdings ziemlich schlampig. Ich zwang mich, mir noch etwas Warmes zum Essen zu kochen. Relativ ideenlos warf ich einen Brühwürfel in heißes Wasser und gab Reis dazu. Als Krönung schnipselte ich die letzte Wurst hinein. Und als Zeichen dafür, wie sehr ich neben der Spur war, zitterte ich unkontrolliert und verbrannte ich mir die halbe Zunge. Noch heute brennt sie und ist teilweise gefühllos. Ich zog mich ins Zelt zurück, um im Schlafsack wieder halbwegs warm zu werden und aß später mein Essen im Zelt.
Heute Morgen ging es dann relativ frisch weiter, die Frische lässt allerdings relativ schnell nach. Wieder machte ich den Fehler, nichts Vernünftiges zu frühstücken. Das muss ich unbedingt ändern. Das Laufen ging dagegen, bis die Kraft verbraucht war. Und so kam ich relativ desolat in Mount Laguna an. Mein erster Stopp war ein kleines Café, wo ich einen Kaffee trank und so etwas Ähnliches wie Quiche gegessen habe.
Danach bin ich zum Outdoorladen weiter gelaufen, der hier, dank der vielen Wanderer, sicherlich ein gutes Geschäft macht. Ein freundlicher Mitarbeiter bot mir an, sich mit meiner Ausrüstung auseinanderzusetzen. Ich war ja mit dem Vorsatz hergekommen, meine Ausrüstung deutlich leichter zu machen. Und so gingen wir ans Werk, und nachdem eine halbe Stunde vergangen war, zeigte er mir, dass durch das Weglassen von Ausrüstungsteilen und der Veränderung des Rucksacks eine Gewichtsersparnis um fast 50 % möglich war. Darauf habe ich mich eingelassen. Die aussortierte Ausrüstung haben wir in einen Karton gepackt und auf den Weg nach Hause geschickt.
Fehler über Fehler. Nicht richtig gegessen, nicht auf den Sonnenschutz geachtet, ein paar Dinge fälschlicherweise nach Hause geschickt – so sieht ein Tag aus, den ich nicht mehr so bald erleben möchte. Ich habe mir zum Abschluss ein völlig überteuertes Zimmerchen gegönnt, wo ich jetzt, am Abend, vor allem meine Blasen, den Sonnenbrand und andere Wehwehchen behandelt habe. Und trotz der Tatsache, dass ich zum Abend vernünftig gegessen habe (einen Hamburger und Pommes) habe ich danach wieder zitternd die Hände in die Jackentasche gesteckt, ohne sagen zu können, dass es so kalt gewesen wäre, dass das gerechtfertigt gewesen wäre. Morgen soll es weitergehen, ich rechne mal einfach damit, dass die Füße morgen früh wieder gut mitmachen werden. An zu viel Gewicht wird es zumindest nicht mehr scheitern.
Lieber Matthias,
der Weg als Therapie … die Therapie hat begonnen und die ersten beiden Aufgaben können nun lauten:
1. Achte auf dich selber und gehe sorgsam mit dir um.
2. Vertraue deinem Gefühl und deinem Körper, beides wird dir sagen, wo deine Grenzen sind.
Lass auch die Einsamkeit zu, ich erinnere mich an unsere Gespräche zum Eremiten, der die Einsamkeit sucht um den Weg zu sich zu finden. Lass Einsamkeit zu und versuche, daraus Kraft zu schöpfen.
Du bist nun da, wo du hin wolltest, der Weg ist Arbeit, es geht nicht nur darum, den Weg zu laufen sondern deine Gefühle und dich zu bewältigen. Du bist jetzt mitten drin und das ist gut so!
Guten Morgen Matthias!
Habe mit viel Interesse gelesen, wie es Dir so in den ersten Tagen ergeht. Oft habe ich das Wort „Fehler gelesen“! Was denkst Du wofür sie eine wichtige und gute Seite haben? Du lernst mit jedem ein Stück mehr. Du stellst Dich einer gigantischen Herausforderung und jeder, aber auch wirklich jeder wird – auch mit guter Vorbereitung – Fehler machen! Und Du lernst schnell und hast in den ersten Tagen schon einiges geändert. Bleib weiter mutig und lobe Dich dafür, dass Du „Fehler“ erkennst und schnell handelst. Vielleicht setzt Du noch Deine Tagesziele etwas kürzer – denn Überforderung bringt wenig Flow! Sei herzlich umarmt!
Hallo, Du fleißiger Wanderer,
wir beide sind mit den Gedanken bei Dir und wünschen Dir ganz,ganz viel Kraft, dass Du das schaffst, was Du Dir vorgenommen hast, ohne dass Du Dich selbst übernimmst. Achte auf Dich und Dein inneres Gefühl. Und gönne Dir ab zu ein wenig „Luxus“ der Zivilation. Tina und Norbert