Nassauer

Manche Orte habe es bei mir aber auch schwer, nicht mit etwas Negativem in Verbindung gebracht zu werden. Nassau ist so ein Ort, obwohl der Ort gar nichts mit dem Begriff zu tun hat. Der Ausdruck „Nassauer“ ist nicht allen Menschen geläufig, obwohl es ihn auch als Verb gibt: nassauern! Ich dagegen erinnere mich an meine Großmutter, die diesen Ausdruck so oft verwendete, dass ich ihn automatisch mit ihr in Verbindung bringe. Aber ich kläre hier die Unkundigen gerne auf. Wikipedia sagt:

Ein Nassauer ist eine Person, die sich ohne Gegenleistung von anderen Personen aushalten lässt, beispielsweise indem sie bei jemandem wohnt, ohne Miete zu zahlen, oder ständig dort isst, ohne irgendetwas zum Essen beizutragen. Er unterscheidet sich vom Schnorrer dadurch, dass er sich kontinuierlich über einen längeren Zeitraum aushalten lässt, während der Schnorrer immer nur wiederholt um kleine Gaben bittet. Er ist kein Betrüger, da sein Handeln für alle Beteiligten offensichtlich ist.

In diesem Artikel wird übrigens auch darauf verwiesen, dass der Begriff zum ersten Mal in Berlin nachgewiesen wurde, insofern stimmt wohl auch meine Erinnerung. Aber es geht mir gar nicht um den Begriff. Sondern um meinen Ärger, den ich seit ein paar Tagen spüre. Und Ärger scheint mir schon fast ein Euphemismus. Es ist ein mächtiger Zorn in mir, der sicherlich aus der Vergangenheit herrührt und sich derart in die Gegenwart drängt, dass er unbedingt betrachtet werden will.

Vor fast zwei Jahren habe ich hier über Engel geschrieben und leitete den Beitrag mit dem Gegenteil ein: dem Arsch-Engel. Wer es nochmals lesen will: https://aufdemweg.info/2017/02/12/engel/. Es geht um Menschen, durch deren Verhalten ich etwas lernen kann, obwohl mir der Umgang mit ihnen auf den ersten Blick nicht gut tut. Manchmal erzeugen sie eben heftigen Zorn in mir. Aber was ist daraus die Lehre für mich?

Ich lerne daraus, dass ich in der Vergangenheit eigentlich der ideale Partner für nassauernde Menschen gewesen bin. Ich hatte große Schwierigkeiten, mich abzugrenzen und deutlich „Nein“ zu sagen, wenn ich etwas nicht wollte. Meist war mir auch nicht so deutlich, dass ich etwas nicht wollte. Heute dagegen kann ich deutlich spüren, dass da etwas ist, was für mich nicht mehr geht, was ich nicht mehr möchte. Und das ist es, was ich gerade lerne! Ich möchte nicht mehr ausgenutzt werden von anderen Menschen, die das, was ich bislang klaglos gegeben habe, ohne Dank oder Anerkennung annehmen, als wäre es selbstverständlich, und die mir gleichzeitig suggerieren, dass es ja auch nichts Besonderes war, was ich gab. Sicherlich war es früher auch selbstverständlich und nichts Besonderes, ich selbst habe es ja nie in Frage gestellt. Ab heute will ich es tun und mich dagegen wehren, dass mit mir so umgegangen wird.

„Ich will nicht, dass mit mir so umgegangen wird“ – diesen Satz habe ich in einem Telefonat einer Freundin dringend ans Herz gelegt. Dabei habe ich noch nicht so deutlich gesehen, wie sehr ich selbst dies Erkenntnis benötige. Insofern merke ich, dass sich mein Zorn eigentlich mehr gegen mich selbst richtet. Ich habe ja zugelassen, so behandelt zu werden. Ab heute soll damit Schluss sein. Und eigentlich ist der Satz noch nicht perfekt. Er muss heißen:

Ich will von Dir nicht so behandelt werden!

Jetzt muss ich es noch schaffen, dem deutlich Ausdruck zu verleihen, ohne den an mich gerichteten Zorn auf die andere Person zu übertragen. Vor allem ist es mir wichtig, zu lernen, es direkt in der Situation zu tun anstatt es hinterher auszudrücken. Das ist das nächste Lernfeld.

Nassauer

Ein Gedanke zu „Nassauer

  • 29. Januar 2019 um 23:35 Uhr
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    Lieber Matthias, „in Dir“ wächst gerad was ganz Grosses….deine eigenes gesundes Standing zu dir selber. Das ist ein teilweiser schwerer Schritt…aber Du gehst ihn echt gut. Weiterhin gaaaanz viel Erfolg dabei. Bussi, Inken

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