Alles auf Null

Es ist von besonderer Ironie, wenn ich meinen Beitrag vom vergangenen Dienstag lese. Denn es ist bereits wieder alles ganz anders geworden. Ich werde nicht ab heute wieder Bus fahren.

Jedes Unternehmen hat wohl seine eigenen Strukturen, seine eigene Philosophie und eine spezielle Art, die Dinge anzugehen. Bisweilen sind diese Dinge für mich schwer nachzuvollziehen. So hatte ich mich bei der Firma A in X beworben, bekam aber die Zusage für die Anstellung von Firma B in Y. Der Vertrag, den ich am letzten Freitag in die Hand gedrückt bekam, war jedoch von Firma C aus Z ausgestellt worden, von deren Existenz ich gar nichts gewusst hatte, bevor ich den Vertrag am Sonntag zum ersten Mal las.

Bereits die erste, von mir nicht autorisierte Weitergabe meiner Bewerbungsunterlagen an Firma B empfand ich als ziemlich befremdlich. Zudem stellt sie einen erheblichen Widerspruch zu der umfangreichen Datenschutzverordnung dar, die ich im Rahmen meines Arbeitsvertrages hätte unterschreiben sollen. Die Adresse von Firma C im Briefkopf ist identisch mit der Adresse von Firma B, obwohl die Firma C in Z im Handelsregister geführt wird und nicht wie Firma B in Y. Am genannten Firmensitz ist auch kein Schild oder ein sonstiger Hinweis auf den zweiten dort beheimateten Betrieb. Es könnte also eine dubiose Briefkastenfirma sein. All das wirkte auf mich, bedingt durch die mangelnde Transparenz, zunehmend anrüchig und unseriös.

Auch der Umfang des Arbeitsvertrages war erstaunlich. Für die doch eher übersichtliche Aufgabenstellung eines Busfahrers erschienen mir siebzehn Seiten im Arbeitsvertrag als ziemliche Übertreibung. Viele Passagen waren wohl auch eher für andere Berufsbilder gemacht worden, zum Beispiel für LKW-Fahrer, Programmierer oder Ingenieure. Aber über einen Passus stolperte ich beim flüchtigen Durchlesen sofort. Darin ging es um die Festschreibung, dass der Arbeitnehmer, also ich, auch in anderen Firmen der Unternehmensgruppe eingesetzt werden könne. Dies würde bedeuten, dass ich auch in den Teilen der Gesamtfirma hätte arbeiten müssen, die deutlich weiter entfernt sind und somit für mich eine erheblich längere Anfahrt bedeutet hätten. Darüber ist im Vorstellungsgespräch nicht einmal ansatzweise gesprochen worden.

Bemerkenswert ist auch der Umfang noch geforderter Kopien. Es wurde eine ärztliche Untersuchung gefordert, ein polizeiliches Führungszeugnis und diverse weitere Unterlagen. Es fehlte nur noch eine Schufa-Auskunft, ein Kontoauszug, ein Stammbaum und ein Aids-Test. Auch fiel es mir beim Rückblick auf, dass der Geschäftsführer niemals anwesend war, von dem ich eigentlich erwarten würde, dass er sich mit der Einstellung neuer Mitarbeiter beschäftigen würde, wenn keine Personalabteilung existiert. Auch die auf der Webseite als Prokuristin geführte Mitarbeiterin schien nicht zuständig zu sein, sie stellte sich auch nicht vor, als sie wiederholt das Vorstellungsgespräch unterbrach, welches ich daher mit dem recht jungen Disponenten führte.

Eigentlich hatte ich mir ja vorgenommen, den Vertrag erst am Montag zu lesen. Irgendwie wurde ich mir selbst gegenüber wortbrüchig und las ihn am Sonntag abends, bevor ich mich schlafen legte. Ich hätte es besser nicht getan, denn so war es mit der „guten Nacht“ vorbei. In den Träumen spielten sich irgend welche bedrohlichen Szenarien ab, die dafür sorgten, dass ich nur etwa vier Stunden schlief. Beim Aufwachen war mir klar, dass es so nicht gehen würde.

Ich setzte mich als erstes mit Ver.di in Verbindung, die eine Überprüfung des Arbeitsvertrages anboten. Dann telefonierte ich mit meinem direkten Ansprechpartner, dem ich meine Vorbehalte auseinandersetzte. Er räumte ein, dass er vergessen hatte, mich über die Existenz der Firma C aus Z zu informieren, die die vertraglichen Belange für A und B regelt. Zusätzlich wies er darauf hin, dass dieser Vertrag ein Standardvertrag wäre, den sie schon seit gut zehn Jahren so verwendeten. Abschließend räumte er auch ein, dass er in Sachen Aquisition von Mitarbeitern zum ersten Mal tätig geworden sei und daher nicht alles optimal verlaufen sei.

Ich war relativ ruhig, als ich ihm sagte, dass ich aufgrund der genannten Auffälligkeiten den Vertrag ohne Prüfung nicht unterschreiben könne, gleichzeitig aber auch die Aufnahme meiner Tätigkeit ohne vertragliche Basis nicht denkbar sei. Der genannte Passus mit der Arbeit auch in anderen Betrieben des Unternehmens müsse gestrichen werden. Mein Vorschlag ging dahin, den Beginn der Aufnahme meiner Tätigkeit einige Tage aufzuschieben, bis mir eine positive Bewertung der vertraglichen Grundlagen vorliege. Ich würde auch zum Beispiel am achten oder zehnten Dezember meine Arbeit antreten. Mit der Zusicherung, dass ich mich sofort melden würde, sobald ich ein Ergebnis der Überprüfung hätte, sind wir dann verblieben.

Direkt danach ging ich daran, den vielseitigen Arbeitsvertrag zu scannen, um ihn als Anhang an eine Mail zur Prüfung versenden zu können. Als ich bei der letzten Seite angekommen war, ging das Telefon. Mein Ansprechpartner rief mich an, um mir mitzuteilen, dass er mit dem Juniorchef der Firma gesprochen hätte. Dieser wäre der Meinung, dass es unter diesen Bedingungen wohl besser sei, von einer Zusammenarbeit ganz abzusehen und somit aus der Arbeit bei Firma B in Y nichts mehr würde. Für mich hörte er sich ziemlich gedrückt an, möglicherweisen war er enttäuscht, dass sich aus dem guten Anfang nun ein schlechtes Ende ergeben hatte. Vielleicht hatte er ja auch für seinen Anteil daran einen heftigen Anschiss kassiert. Was mir durchaus leid tun würde, denn ich fand ihn sympatisch und wir haben uns gut verstanden, auch wenn er wichtige Dinge nicht erwähnt oder vergessen hatte.

Und so ist meine gesamte Planung in Sachen Arbeit wieder hinfällig, die mir in den letzten Tagen ein deutliches Mehr an guter Stimmung und positiven Zukunftsvisionen gebracht hatte. Natürlich war ich anfangs ziemlich deprimiert, denn an ein solches Resultat hatte ich ja nicht im Traum gedacht. So hatte ich einen ausgeprägten Redebedarf. In verschiedenen Telefonaten erörterten wir das, was sich abgespielt hatte und ich berichtete von meiner Enttäuschung. Natürlich gab es viel Verständnis für dieses Gefühl, gleichzeitig aber auch eine ganz andere Sicht auf diese Angelegenheit: ich hätte mich doch für meine Interessen eingesetzt, hätte ehrlich meine Vorbehalte zum Ausdruck gebracht und mich für mich stark gemacht. Ich könne stolz auf mich sein.

Es ist schon richtig, das es mir meist sehr schwer fällt, für mich und meinen Wünsche nachdrücklich einzutreten und mich in Konflikten zu behaupten. Kann ich deswegen stolz auf mich sein, auch wenn ich einen möglichen Arbeitsplatz verloren habe? War es richtig, dass mein ungutes Gefühl und mein Misstrauen mich geleitet haben, nachdem ich ja bereits früher schlechte Erfahrungen gemacht habe, als ich vertrauen wollte, obwohl mein Bauchgefühl mir etwas anderes sagte – und Recht behielt?

Meist wird in solchen Situationen gesagt: „Wer weiß, wozu es gut war….“. Ich werde es wohl erleben!

Alles wieder auf Null.

 

Alles auf Null

3 Gedanken zu „Alles auf Null

  • 1. Dezember 2020 um 16:50 Uhr
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    Hallo Bruderherz!
    Alles richtig! Du bist, wenn Du Dich auf einen solchen Vertrag einläßt, am Ende der Dumme!
    Wer weiß, ob das nicht alles ein abgekartetes Spiel war.
    Die nächste Chance kommt – so bitter es auch ist, jetzt wieder darauf warten zu müssen.
    Liebe Grü0e Irene

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  • 1. Dezember 2020 um 10:00 Uhr
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    Moin Matthias,
    es ist schön, so viel von Dir zu hören – auch wenn es mit dem für heute geplanten Arbeitsbeginn nicht geklappt hat.
    Du solltest darüber nicht allzu traurig sein. Wie Norbert schon richtig anmerkte deutet die geschilderte Vorgehensweise auf einen eher unseriösen Arbeitgeber hin. Dessen verschachtelte Firmenstruktur mag durchaus primär gesellschaftsrechtliche oder steuerliche Gründe haben, aber dann kann man dieses auch gegenüber seinen Arbeitnehmern vertreten und erklären.
    Du hast bei Hauser ein hervorragendes Arbeitszeugnis erhalten. Dort finde ich Dich als Mensch und als engagierter Arbeitnehmer hervorragend beschrieben. Das ist ein Pfund mit dem Du wirklich wuchern kannst!
    Blöd ist, dass die Reisebus-Branche so richtig darnieder liegt. An diesem Zustand wird sich nach meiner Einschätzung in absehbarer Zeit wenig ändern. Von daher wird Dir nicht viel anderes übrigbleiben, als Dich entweder weiter im Linienfahrer-Bereich zu bewerben oder die Zeit auszusitzen und auf ein Wiedererstarken des Reisebusverkehrs zu setzen. Wie ich Dich kenne, bist Du für letzteres zu ungeduldig. Bleib so wie Du bist! Ich wünsche Dir viel Erfolg.
    Beste Grüße aus Braunschweig
    Dirk

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  • 1. Dezember 2020 um 9:04 Uhr
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    Hallo Matthias,
    Du hast richtig gehandelt. Lasse dich nicht auf dubiose Arbeitsverträge ein. Dann ist es besser, auf ein anderes (besseres) Angebot zu warten. Habe Geduld.
    Gruß Norbert.

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