Herbst-Blues

Es gab tatsächlich ein Leben vor Covid-19! Verrückt, daran zu denken, dass es ja gar nicht so lange her ist, dass ich zu einem Reiseunternehmer wechseln wollte und zu diesem Zweck meinen Arbeitsvertrag im Linienverkehr gekündigt hatte. Ich war damals überzeugt, dass ich sorgsam genug agiert hatte, um einen reibungslosen Übergang ohne Lücken geschafft zu haben. Und dann kam Corona.

Für mich begann meine „neue“ Tätigkeit mit hundertprozentiger Kurzarbeit, ich habe ja bereits darüber geschrieben. Ich saß also drei Monate lang zu Hause und versuchte, mich sinnvoll zu beschäftigen. Und auch, wenn ich viel mehr hätte machen können, so war es keine verlorene Zeit. In Verbindung mit dem Frühling war es schön, immer wieder draußen zu sein und durch die Natur zu wandern. Aber auch in meiner Wohnung habe ich viele Unebenheiten glätten können und einige Ärgernisse beseitigt. Zudem habe ich viel am Rechner gesessen und alte Aufnahmen digitalisiert. Ich war also nicht unzufrieden.

Dann erhielt ich das Angebot, für drei Monate wieder bei meinem alten Arbeitgeber Linie zu fahren, als Urlaubsvertretung. In Absprache mit meinem Arbeitgeber, der der sofort zustimmte und mich auf diese Art schnell wieder los wurde, nahm ich das Angebot gerne an. Zu meiner Sicherheit erneuerten wir gleichzeitig den Vertrag beim Reiseunternehmer und datierten ihn auf den 1. Oktober. Auf diese Weise war ich den Sommer über wieder auf den Strecken im Kreis Tutlingen unterwegs, von denen ich ja bereits einige Eindrücke hier wiedergegeben habe.

Ende August wurde es dann offensichtlich, dass mit einer Wiederaufnahme der Reisetätigkeit im Oktober nicht zu rechnen war. Ich erhielt die Info, dass es für mich auch auf absehbare Zeit keine Arbeit als Reisebusfahrer geben würde, sodass ich mich an den Chef meines Linienunternehmens wendete, ihn darüber informierte und mein Interesse an einer Weiterbeschäftigung zum Ausdruck brachte. Für ihn war das eine klare Sache, denn er schätzt meine Arbeit sehr. Je mehr es jedoch zum Ende September hin ging, umso mehr wurden die Aussagen wage und unbestimmt. Am Schluß gab es nicht mehr ausreichend Stunden für meine Weiterbeschäftigung, da das Landratsamt weitere Linienkürzungen vorgenommen hatte.

So wurde ich zum Anfang Oktober wieder einmal arbeitslos, obwohl ich zu Beginn meiner Ausbildung zum Busfahrer sicher war, nie wieder arbeitslos werden zu können. Corona hat diese Sicherheit zerstört. Und entgegen der doch recht schönen und produktiven Zeit im Frühjahr, habe ich diese Zeit nun eher erlitten. Mir fehlte die sinnvolle Beschäftigung und das Fahren mit dem Bus. Es fehlte auch die wirtschaftliche Sicherheit des eigenen Einkommens, ein ganz besonderes Problem für mich.

Auch, wenn es mir keine große Mühe macht, eine gute Bewerbung zu verfassen und auf den Weg zu bringen, so ist die derzeitige Aussichtslosigkeit bei der Jobsuche doch sehr niederschmetternd. Dazu kommt, dass es auf viele meiner Bewerbungen gar keine Reaktion gibt, nicht einmal eine kurze Absage, obwohl ich mich ja nur auf ausgeschriebene Stellen beworben habe. Inzwischen bin ich dazu übergegangen, erst einmal anzurufen und ein paar Informationen einzuholen, bevor ich eine Bewerbung schicke.

Mit erstaunlichen Ergebnissen: Nachdem am Dienstag eine Anzeige online gestellt worden war und ich am Folgetag den entsprechend Zuständigen am Telefon hatte, erfuhr ich, dass sie gar keine Anzeige geschaltet hatten, oder dieses zumindestens nicht beabsichtigt gewesen war. Bei einem anderen Betrieb wurde mir gesagt, dass derzeit keine Stellen frei wären, zwei Tage, nachdem die Anzeige erschienen war. Manchmal wird auch meine Bewerbung ohne Rücksprache an einen anderen Betrieb weitergereicht….

Es ist mühsam und eine Art Kampf, dabei nicht das Gefühl der Hoffnungslosigkeit aufkommen zu lassen. Und sich in der freien Zeit mit Kochen und Kuchenbacken zu beschäftigen, befriedigt auch nicht langfristig, zumal das viele Essen nicht ohne Nebenwirkungen bleibt, von denen das Stöhnen der Waage einige Geschichten erzählen könnte. Es bedrückt mich, gerade keine Zukunft sehen zu können. Natürlich hoffe ich auf das neue Jahr, aber die Zeit bis dahin könnte lang werden. So habe ich auch über alternative Arbeitsstellen nachgedacht und fühlte mich auf dem heutigen Arbeitsmarkt zunehmend unbrauchbar und nutzlos.

All das tut mir nicht gut. Es ging schon mal schlechter, aber das kann nicht die Perspektive für mich sein. Ich wollte doch aufbrechen ins Leben, wohin auch immer der Weg führt….

 

Herbst-Blues

Ein Gedanke zu „Herbst-Blues

  • 23. November 2020 um 22:06 Uhr
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    Lieber Matthias

    ich weiß wie, sehr Du in dieser Zeit der Hoffnungslosigkeit gelitten hast. Ich kenne deine Ängste und deine Sorgen um die Zukunft. Das Verhalten Deines ( nicht mehr ) aktuellen und Deines von dir gewünschten Chefs haben nicht gerade dazu beigetragen, Dir wieder Hoffnung zu geben.
    Ab 01. Dezember wirst Du nun eine neue Stelle antreten, die auch noch einen Wohnungswechsel
    mit sich bringt. Ich wünsche Dir alles erdenklich Gute für Deine neue Aufgabe und dass Du nie mehr so eine schlimme Zeit in deinem Leben durchstehen musst.
    Und du weißt: Wenn Du mich brauchst, bin ich für Dich da. Ich bin nur ein Anruf entfernt.

    You`ve got a friend 🙂

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