Seit zwei Tagen kämpfe ich mit dem Schnee. Ich hätte nicht gedacht, dass mich das so fertig machen würde.
Es fing an, als ich mich bereits kurz vor sechs Uhr eilig auf den Weg machte, um den kurzen Besuch in Lone Pine zu schaffen und rechtzeitig wieder auf dem Trail zu sein. So hatte ich es mit Romana und Diane abgesprochen, mit denen ich seit Kennedy Meadows zusammen gelaufen bin und weiterhin laufen wollte.
Warum das wichtig ist? Der nun folgende Abschnitt des PCT ist die High Sierra, ein Hochgebirge, das sich über hunderte von Meilen nach Norden hin zieht. Dabei sind sowohl diverse hohe Pässe zu bezwingen als auch viele Flussdurchquerungen zu bestehen. Und dies alles in einem Jahr, das zu den schneereichsten in Kalifornien zählt. Dabei ist nicht nur den Schnee problematisch und teilweise gefährlich, das Schmelzwasser des Schnees lässt die Flüsse extrem anschwellen. Und diese dann zu durchqueren, ist alleine lebensgefährlich. Die Schneebrücken über die Flüsse sind auch eher eine Gefahrenquelle, denn es ist nur schwer einzuschätzen, ob sie der Belastung beim Überqueren standhalten werden. Eine Hikerin ist bereits ums Leben gekommen.
Und so hatte ich mich mit Romana dahingehend verständigt, dass wir das zusammen versuchen, kurz darauf kam auch noch Diane dazu, ebenfalls aus der Schweiz, jedoch Französisch sprechend, sodass eine Unterhaltung mit allen doch wieder in Englisch geführt wurde. Nun hatte ich meine Schneeausrüstung in Kennedy Meadows nicht bekommen können und so hatte ich mir die Eisaxt in Lone Pine zurücklegen lassen. Und das war der Grund für meinen Besuch dort.
Ich bin also die sechzehn Meilen von unserem Schlafplatz bis zum Pass in extrem zügigen sechs Stunden gelaufen, von dort noch etwa zwei Meilen den Berg herunter, bis zu einem Parkplatz, von dem aus ich in die 22 Meilen entfernte Stadt trampen wollte. Und das klappte auch fast 100%ig, denn es fuhr gerade ein weißes Auto vor, auf dessen Heck das PCT-Zeichen klebte. Eric erklärte sich auch sofort bereit, mich und eventuelle andere Hiker nach seinem Spaziergang in die Stadt zu bringen. Das dauerte dann leider doch fast zwei Stunden, bis wir vom Parkplatz wegkamen.
Das erste Ziel war McDonalds, und zwar nicht wegen des köstlichen Essens, sondern wegen des WLAN. Danach zum Outdoorladen und die Ausrüstung beschafft, die bereits genannte Eisaxt und Spikes für die Schuhe. Und um es schnell zu sagen: Beides nicht gerade billig aber seeehr nützlich!
Nach einem kurzen Einkauf stellte ich mich mit anderen Hikern an die Straße, um zum Parkplatz zurückzukommen. Dieser liegt etwa 9600 ft hoch, der Ort Lone Pine vielleicht 3000 ft hoch. Daraus ergibt sich eine spektakuläre Straße, die sich über 22 Meilen den Berg heraufschlängelt. Und mit dem typischen Hikerglück trafen wir auf Michel, der uns wieder hochfuhr, allerdings mit einem Umweg, sodass wir erst gegen 19.30 Uhr am Parkplatz ankamen. Das war natürlich viel zu spät, um noch auf den Trail zurückzukehren. Denn die beginnende Dämmerung und die schwierigen Verhältnisse auf dem Weg laden nicht zu Nachtwanderungen ein, die vielen Mücken schon gar nicht.
Und so schlug ich in der Nähe mein Nachtlager auf, um am kommenden Tag die restliche Strecke bis zum PCT schnell zu schaffen und wieder Anschluss an die beiden Schweizerinnen finden. Ich war früh auf den Beinen und holte nach etwa einer Meile zwei Wanderer ein, mit denen ich am Vortag getrampt war. Beide schienen erheblichen Wissensvorsprung in Sachen Wandern und Navigation zu haben, so hängte ich mich mit ihrem Einverständnis einfach an. Wir kämpften uns bis zum PCT zurück. Und das meine ich auch so, denn der Weg war kaum auszumachen unter den Bergen von Schnee, über die wir uns kämpften. Und dabei verging mir der Spaß und die Freude am Wandern ziemlich schnell.
Auf dem PCT wurde es auch nicht besser, eher noch schlimmer. Im Grunde sind wir nur noch querfeldein gelaufen und haben uns bemüht, den Weg nicht ganz zu verlieren. An einer Rangerstation habe ich mich von den beiden getrennt, um noch ein paar Meilen zu schaffen. Dabei ging es zum ersten Mal über einen reißenden Gebirgsbach. Ich balancierte dreimal über Baumstämme und hatte so das meiste geschafft. Durch das Tauwetter sind jedoch alle Wiesen überschwemmt und die diversen spontan entstandenen Bäche sorgten dafür, dass ich nicht nur nasse, sondern auch extrem dreckige Schuhe bekam. Ich war deshalb total angefressen.
Und in dieser Stimmung folgte dann ein extrem steiler Anstieg, der sich auch dadurch sehr in die Länge zog, dass ich mit meinen Kräften ziemlich am Ende war. Aber natürlich habe ich ihn geschafft, versuchte dabei, zusammen mit einem anderen Wanderer, den Weg nicht aus den Augen zu verlieren. Über eine riesige, verschneite Fläche ging es weiter, ich hatte mir das Ziel gesetzt, es bis zum nächsten angekündigten Schlafplatz zu schaffen. Und auch das habe ich erreicht, wenn auch mit letzter Kraft.
Nachdem ich das Zelt aufgebaut hatte und alles soweit eingerichtet war, habe ich meine Schuhe ausgezogen, die vollständig durchnässt waren. Den Zustand der Socken beschreibe ich hier gar nicht erst, es ist sicher vorstellbar, wie meine Füße ausgesehen haben, nachdem ich mehrfach bis über die Schuhe im Schlamm gestanden hatte. Und ich war völlig entnervt, da ich mit den bescheidenen Wasservorräte auch die Füße nicht vernünftig sauber bekam. Und ich hasse es, mit schmutzigen Füßen in den Schlafsack zu steigen. Jedoch blieb mir an diesem Abend nichts anderes übrig.
Während ich so im Schlafsack lag, wurde mir klar, dass das, was ich gerade tat, nicht mit dem übereinstimmte, was ich tun wollte. Ich war sehr deprimiert über dieses Gefühl und beschloss, am Morgen nicht wie sonst früh aufzustehen, sondern zu warten, bis die Sonne auf das Zelt scheint. Die beiden Schweizerinnen habe ich jedenfalls nicht mehr getroffen, später habe ich erfahren, dass sie deutlich hinter mir zurückgeblieben waren.