Vor zwei Tagen lud mich Phillip ein, mit ihm einen Spaziergang zu machen. Dazu nahm er Mascha mit, einen Hund unsicherer Rasse, der der Zweithund von Michael und Barbara ist. Wir nahmen den Weg aus dem Ort heraus und über die Felder, denen noch immer das frühlingshafte Grün fehlte. Aber das Laufen tat mir mal wieder gut und auch die frische Luft war sehr wohltuend.
Und dann fand Mascha heraus, dass in den Gräben neben dem Weg das Wasser stand. Und so erlebte ich sie zum ersten Mal mit einem „irren“ Blick, während sie schnurstracks in die Gräben abtauchte. Zeitweise bewegte sie sich in schnellem Galopp durch das langsam fließende Wasser, sodass ich nur den in kurzen Abständen auftauchenden Kopf und den wedelnden Schwanz von ihr sehen konnte. Und wenn sie dann aus dem Graben wieder hervor kam, war es für sie unmöglich, einfach still zu stehen oder etwa „bei Fuß“ zu gehen. Dafür war sie viel zu sehr begeistert von der Möglichkeit, hemmungslos zu planschen, was ihr bei Barbara meist nicht gestattet wird. Und so sprang sie umher und rannte wild voraus: ein Ausdruck von ungebremster Lebensfreude – schön anzusehen und zum Schreien komisch.
Ein paar Tage vorher war ich zu Fuß auf dem Weg zum Lebensmittelladen. Dabei sah ich aus der Ferne eine junge Frau, die offensichtlich mit ihrem Smartphone ein Auto fotografierte. Mir kam das komisch vor und ich fragte mich, warum sie das tat. Mir fiel jedoch auf, dass sie nach jedem Foto mit einem Lächeln auf das entstandene Foto schaute. Und je näher ich kam, umso mehr Details konnte ich erkennen. Es war ein weißes Auto, es könnte ein Ford gewesen sein. Gerade machte sie erneut ein Foto, von schräg vorne, und ich konnte erkennen, dass das ganze Auto und das Kennzeichen extrem sauber aussahen, geradezu makellos: Neu!
Nun verstand ich auch, warum sie das Auto fotografierte. Es war offensichtlich ihr neues Auto, nach dem Alter des Mädchens würde ich schätzen, dass es ihr Erstes war. Und so sagte ich im Vorbeigehen zu ihr: „Na, ein neues Auto?“ Sie schaute überrascht hoch, strahlte mich sehr glücklich an und bejahte meine Frage. Und ich konnte aus ihrem Strahlen die ungeheuere Freude über ihre neue Unabhängigkeit und den Besitz des Fahrzeugs lesen. Irgendwie machte mich diese kurze Begegnung und der minimale Wortwechsel mit ihr glücklich. Ich konnte an ihrer Freude teilhaben, so ganz aus der Ferne, ohne sie überhaupt zu kennen, und doch war es direkt und intensiv.
Beide Begebenheiten haben für mich etwas gemeinsam. Es geht um die Freude und ihren Ausdruck. So lenke ich wieder einmal den Blick auf mich selbst. Ich kann das bislang nicht so gut. Wenn ich so in meinen Gefühlen nachspüre, habe ich den Eindruck, als wäre Freude etwas, was man niemandem zeigen darf. Als wäre es nicht in Ordnung, geradezu unanständig, sich so ausdrücklich zu freuen. Und hüpfen oder juchzen – das geht ja gar nicht…..
Im Moment bin ich gerade in Rottweil. Morgen werde ich bei meinem zukünftigen Arbeitgeber den Arbeitsvertrag unterschreiben und den Chef persönlich kennen lernen. Ich freue mich auf diesen Termin. Als ich vor einer Woche den Job zusagte, fand ich es komisch und befremdlich, dass es nun genau so wurde, wie ich es mir insgeheim gewünscht hatte. Ich glaube nicht, dass ich es in meinem Leben schon einmal erlebt habe, dass ich meine Wünsche derartig verwirklichen kann. Entsprechend groß war meine Freude, besonders nach der langen Zeit, in der ich weder ein wirkliches Ziel noch eine Perspektive für die Zukunft gehabt habe. Und doch war diese Freude limitiert, eine innerliche Freude, die ich mir nicht anmerken lassen wollte, als würde ich etwas von mir mitteilen, was niemand sehen darf. Habe ich gestrahlt? Ich kann mich zumindest erinnern, dass ich nicht gehüpft bin. Ich habe statt dessen, ganz kontrolliert und gesittet, mit Barbara und Michael eine Flasche Sekt ausgetrunken.
Diese große Freude begleitet mich seither und ist mir treu. Ich bin sehr froh, dass ich sie spüren kann. Nun möchte ich lernen, sie auch angemessen auszudrücken. Das junge Mädchen möge dabei Pate stehen, wenn ich zukünftig versuche zu zeigen, wie sehr ich mich freue. Und wenn ich es schaffe, vor Freude zu hüpfen, zu schreien, zu singen oder etwas völlig Verrücktes zu tun, dann denke ich an Mascha, der es vollkommen egal ist, ob ich über sie gelacht habe.
Ich danke Dir, junges Mädchen, dass Du mir begegnet bist.
Liebelein, ich wünsche Dir von Herzen, dass Du das Freuen so ausdrücken kannst, mit Hüpfen, Strahlen und Juhu-Rufen….oder auch nur auf deine eigene Art…Du machst das schon. Alles Liebe, Inken