Mein lieber Robert,
heute schreibe ich Dir einen Brief. Ich weiß nicht, ob Du ihn lesen wirst. Vielleicht willst Du ihn auch gar nicht lesen, aber das ist belanglos, denn ich habe darauf keinen Einfluss. Ich möchte Dir trotzdem eine Botschaft senden, und das möchte ich laut und deutlich tun, auch und besonders wegen mir.
Ich habe von Dir geträumt. Mehrmals sogar. Beim letzten Mal warst Du ein zugegebenermaßen sehr kräftiges, kleines Kind, fast noch ein Baby. Und ich weiß noch, dass ich mich sehr liebevoll um Dich gekümmert habe, wobei ein Bad in der Wanne wohl im Vordergrund stand. Ich entdecke ein roten, ziemlich ekelig aussehenden Ausschlag auf Deinem Hintern und beschaffte ein Medikament, das dagegen helfen sollte. In diesem Traum bekam ich Krach mit Deiner Mutter, die der Meinung war, ich hätte (wieder mal) das falsche Medikament beschafft. Trotz dieses Umstandes blieb für mich, auch nach dem Aufwachen, eine Spur eines innigen Gefühls von Liebe zu Dir übrig.
Vielleicht kannst Du Dir vorstellen, dass diese Liebe tatsächlich besteht und nie in Frage steht. Und ich glaube, dass sie auch weiterhin bestehen wird und nicht enden wird, was immer auch passiert. Es ist nämlich mein Gefühl, und ich bin dankbar, dass es da ist und ich es spüren kann. Und ich bin zu diesem Gefühl berechtigt.
Ich weiß nicht, für was alles Du mich inzwischen verantwortlich machst und für was alles ich in Deinen Augen Schuld trage. Dies zu wissen würde voraussetzen, dass wir vorher miteinander reden, streiten würden. Jedoch haben wir seit mehr als sechs Jahren kein Wort mehr miteinander gesprochen. Kommunikation wäre notwendig, und wir müssten dabei nicht einmal einer Meinung sein, es würde reichen, den Anderen mit seiner Sicht zu respektieren und zu akzeptieren, dass er eine andere Sichtweise auf die Dinge hat.
Ich möchte Dir zunächst sagen, dass es mir weh tut, sehr weh tut, dass es so zwischen uns ist. Stets habe ich mir eine Beziehung und Familie gewünscht, in der ich mich geborgen und angenommen fühle. Leider habe ich das nicht erlebt, darum bin ich auch gegangen, als für mich klar wurde, dass es niemals so sein würde. Und mir war bewusst, dass es weh tun würde, nicht nur mir und Deiner Mutter, sondern besonders Dir und Deiner Schwester.
Darum möchte ich Dich hier und heute um Verzeihung bitten für den Schmerz, den Du durch mein Handeln erlebt und ertragen hast. Sehr gerne hätte ich ihn Dir erspart. Und auch, wenn mir klar ist, dass ich aus heutiger Sicht einige Entscheidungen anders treffen würde, so bitte ich Dich doch um Verständnis, wenn ich aus meiner damaligen Sicht glaubte, richtig zu handeln. Deinen daraus resultierenden Schmerz wollte ich nicht, und ich wäre froh, zu wissen, dass Du mir wenigstens das glaubst.
Ob es etwas an unserem Verhältnis ändern wird, wenn ich Dir heute schreibe, kann ich nicht absehen. Aber für mich ist es notwendig, all dies laut zu sagen, indem ich es in meinen Blog schreibe. Und ich werde weiterhin an Dich denken und mein Gefühl für Dich am Leben halten. Vielleicht möchtest Du es ja irgendwann einmal in Anspruch nehmen.
Es gehört für mich zu den Pflichten eines Vaters, für seine Kinder das Beste zu wollen und zu wünschen. Ich habe es getan, trotz sicherlich einiger Fehler, die ich gemacht habe und die ich heute ehrlich bedauere. Und so wünsche ich Dir noch immer das Allerbeste für Dein Leben. Mache nicht die Dinge nach, die ich zum Teil vorgelebt habe, sondern finde Dein eigenes Glück im Leben.
Das alles und noch viel mehr wünsche ich Dir!
Dein Vater
Lieber Robert,
nach mehrmaligen Hin und Her entscheide ich mich hier nun für das Hin und mache etwas, was ich im Herzen und in Gedanken schon seit einigen Jahren immer wieder gemacht habe, ich schreibe dir, stellvertretend für dich UND deine Schwester. Möglicherweise fragst du dich, was der Typ (ich meine damit mich) sich erdreistet, dieses hier zu schreiben. Wahrscheinlich kannst du dich nicht mehr an mich erinnern, ich erinnere mich aber noch sehr gut an dich. Solltest du diese Zeilen überhaupt lesen, dann wirst du dich eventuell wundern, wie du plötzlich hier ins Zentrum rückst. Du hast sicher den sehr kritischen Kommentar von Bernhard gelesen, der die Frage aufwirft, ob die Öffentlichkeit hier überhaupt Kenntnis von den Gedanken bekommen soll, die sich um dich und deinen Vater drehen. Ich kann diese Überlegung gut nachvollziehen, ich selber habe auch darüber nachgedacht. Das Thema ist sensibel und ich hoffe, es auch sensibel anzugehen. Bitte versuche, aus meinen Zeilen an dich die positiven/guten Gedanken herauszulesen, nur so soll dieser Text gemeint sein.
Ich kann und möchte nicht auf die Probleme eingehen, die du mit deinem Vater zu haben scheinst, ich kenne diese Probleme nicht. Ich bin aber fest davon überzeugt, dass die Trennung der Eltern für Kinder traumatisch sein kann. An so einer Trennung haben aber immer beide Eltern ihren Anteil.
Deinen Vater begleite ich nun seit vielen Jahren durch seine Höhen und sehr tiefe Tiefen und er ist mein bester Freund geworden. Ich habe ihn leiden sehen und tue es noch immer, besonders wenn es um seine Kinder, also um dich und deine Schwester geht. Ich schätze aber auch seinen Weitblick und seinen kritischen Blick, auch wenn es manchmal schmerzhaft sein kann. Er ist einer der ehrlichsten Menschen, die ich kenne.
Die Liebe eines Vaters ist etwas einzigartiges und gerade für Jungs von besonders großer Bedeutung. Das Kind ist untrennbar mit beiden Eltern verbunden, sowohl über die positiven als auch die negativen Eigenschaften. Du wirst wahrscheinlich im Laufe deines Lebens Eigenschaften an dir finden, die du deiner Mutter oder deinem Vater zuordnen kannst. Ob sie dir zusagen oder ob sie dich erschrecken, es ist wichtig, sie anzunehmen. Ein Mensch wird seine Eltern nie los! Ich halte es für wichtig, gerade auch in deinem Interesse, dich mit der väterlichen Seite in dir auseinanderzusetzen. Deine Herkunft wird dich einholen.
Dein Vater ist gerade auf dem „Weg zu sich selber“. Es ist ein mutiger Weg mit vielen Höhen und Tiefen und es ist ein wichtiger Weg. Es ist natürlich ein Weg, der geprägt ist vom ICH, das halte ich für legitim, das halte ich für Überlebenswichtig!! Dennoch erlebe ich deinen Vater NICHT als „ichbezogen“. Dieses Bild wäre nach dem, was ich mit deinem Vater erlebt habe, ein vollkommen falsches Bild. Manchmal wünschte ich mir für ihn deutlich mehr „Ichichichs“, das würde ihm sein Leben an vielen Stellen erleichtern.
Lieber Robert, ich möchte dir auf deinen Weg den Appell mitgeben, setze dich mit deinem Vater auseinander, lerne ihn kennen, es loht sich!!
Hallo Matthias, ja, was soll ich Schreiben: Dein „Brief an Robert“ hat mich sehr verwirrt und dann zornig gemacht. Du weißt, wie schon immer von mir bewundert, die Worte sehr gut zu setzen – aber schon Dein zweiter Satz mit dem entlarvenden „belanglos“ macht Deinen ganzen Text letztlich in seiner Selbstbezogenheit zu Makulatur.
Ich mag Deine beiden Kinder, und auch wenn ich sie genau genommen kaum kenne und ihnen so gut wie nicht mehr begegne, so habe selbst ich mitbekommen, wie Robert gelitten hat und wahrscheinlich noch leidet – wie seine Schwester auch.
Und Du schlägst ihn mit Deinem Brief in all Deiner ichbezogenheit, mit all Deinen ichichichs und mirmirmirs mit voller Wucht ins Gesicht. Du schiebst ihn vor, um Dein ichichich zu erhöhen, vielleicht um Dich vor Dir selbst zu rechtfertigen, zu schönen oder was auch immer. Du meinst, Deinen Kindern das Beste zu wünschen. Nun, alleine schon den „profanen“ Verpflichtungen nachzukommen, wäre für sie wahrscheinlich auch hilfreich gewesen als jeder fromme Wunsch. Nein, ich nehme Dir Dein Schreiben nicht ab und hoffe inständig, dass es Deinem Sohn nicht noch mehr Schaden zufügen wird!
Hast Du – auch das mag noch erwähnt sein – je auch nur einen Gedanken daran verschwendet, ob es ihn verletzten könnte, Eure gemeinsame Tragik in der Netzöffentlichkeit auszubreiten? Ich fürchte, auch hier ist das „mir“ schlicht wichtiger als die Verletzlichkeit eines geliebten(?) Kindes.
(Ja, ich bin mir bewusst, dass auch mein Kommentar hier nicht unbedenklich ist).
Enttäuscht, doch mit den besten Wünschen für Deinen weiteren, hoffentlich auch irgendwann den Wert des „ihm“ und „ihr““ erkennenden Weges
Bernhard
Lieber Bernhard,
Vielen Dank für Deinen Kommentar.
Mir war beim Schreiben meines Beitrags sehr wohl bewusst , dass es trotz aller Bemühungen meinerseits keine Möglichkeit gibt, Fehlinterpretationen und negative Deutungen auszuschließen. Dein Kommentar führt mir die Richtigkeit dieser Einschätzung vor Augen.
In meinem Blog schreibe ich, wie auf der Startseite gesagt, über meine Gefühle und Gedanken. Ich schreibe also über mich, das ist der erklärte Zweck des Blogs. Und ich nutze ihn, um Dinge auszusprechen, beim Namen zu nennen. Denn das habe ich jahrzehntelang nicht getan und die Notwendigkeit erst in der Therapie verstanden und es halbwegs gelernt.
Daraus nun eine Ichbezogenheit zu konstruieren, geht daher nach meiner Meinung am Thema vorbei. Denn ich schreibe über meine Gefühle zu meinem Sohn. Und das tue ich offen und ehrlich, und ich spreche Dinge aus, die ich noch nie so ausgesprochen habe. Nichts davon ist, soweit ich sehen kann, abwertend, beleidigend oder verletzend – außer jemand möchte es so verstehen.
Es widerspricht meiner bisherigen Einschätzung von Dir, dass Du Dich an einem Wort aufhängst und es separat bewertest, anstatt den Sinn des ganzen Satzes zu verstehen. Wenn Du den angesprochenen Satz noch einmal lesen magst – manchmal hilft es auch, ihn zwei oder dreimal zu lesen – wirst Du vielleicht den Sinn erfassen und das von Dir bemängelte Wort in einem ganz anderen Kontext erscheinen.
Und ohne auf diverse Einzelheiten einzugehen: Bist Du berechtigt, mit einem verschämt in Klammern gesetzten Fragezeichen meine Liebe zu meinen Kindern in Frage zu stellen?
Grüße nach Würzburg
Matthias