Ich könnte ja mal wieder etwas schreiben…… aber was?
Jetzt habe ich schon vier Monate nichts mehr in diesen Blog geschrieben. Irgendwas hemmt mich zur Zeit und bringt es mit sich, dass die Worte, die sonst recht flüssig „auf das Papier fließen“, ziemlich versiegt sind. Mir ist unklar, warum das so ist und womit es zusammen hängt. Eine Vermutung meinerseits geht dahin, dass es mein Leben ist, welches derzeit in eher festgelegten, ruhigen Bahnen verläuft. Irgendwie scheint mir etwas zu fehlen, alles ist so erdrückend geregelt und starr. Und ich würde doch so gerne wieder ausbrechen, aufbrechen, irgendwohin, irgendwie…..
Und so schreibe ich heute über Flaschen. Mir ist bewusst und es ist durchaus Absicht, dass die pure Überschrift vielleicht zu falschen Assoziationen führt, denn diese Bezeichnung wird ja oft genug im Zusammenhang mit Menschen genutzt. Hier jedoch geht es um echte Flaschen, solche aus Glas oder Plastik.
Es war an einem Tag im Frühjahr, als ich mit meinem Linienbus im Kreis Tuttlingen unterwegs war. Nach dem Durchfahren eines Kreisverkehrs an einer Steigung lag an meinem Weg eine braune Glasflasche mit Bügelverschluss, dicht am Grünstreifen. Ich sah sie dort liegen, als ich beim ersten Mal vorbei kam. An diesem Tag kam ich in beiden Richtungen je viermal an der Stelle vorbei und bei jedem Vorbeifahren dachte ich an die Bügelflasche. Als mir bewusst wurde, dass ich zum letztem Mal an diesem Tag dort vorbei fahren würde, achtete ich darauf, dass hinter mir niemand Anderes fuhr, setzte den Warnblinker und hielt an, um diese Flasche aufzuheben und sie mitzunehmen.
Ein anderes Mal auf einer anderen Tour lag eine Bierflasche genauso am Straßenrand. Diesmal hielt ich nicht an, denn die Straße war ziemlich befahren, zudem wollte ich die Peinlichkeit vermeiden, mit Fahrgästen eine solche Aktion zu machen. Und riskieren wollte ich auch nichts, jedenfalls keinen Schaden am Bus, wegen meines Anhaltens auf freier Strecke. Zwei Tage später fuhr ich die gleiche Strecke wieder, jedoch hatte irgend jemand diese Flasche aufgehoben, denn sie lag nicht mehr dort, wo sie Tage vorher noch gelegen hatte. Wenn ich später an dieser Stelle vorbei kam, dachte ich immer wieder daran und mein Blick ging hin zu der Stelle, wo einst die Flasche lag.
Kürzlich fand ich im Abfalleimer des Busses, den ich gerade fuhr, eine leere Dose Red Bull, von der ich weiß, dass sie eine Pfand-Dose ist und recht viel Pfand kostet. Ich habe sie nicht heraus geholt, aber es ging mir durch den Kopf…. Und vorgestern sah ich einen Mann, der kurze Zeit später Mitfahrer in meinem Bus wurde, wie er sein Bier austrank und die eindeutig erkennbare Pfand-Bierflasche achtlos in den Mülleimer warf.
In den längeren Pausen auf den diversen Busbahnhöfen sehe ich dagegen die unterschiedlichsten Menschen, die von Mülleimer zu Mülleimer gehen, in der Hoffnung, irgendetwas wertvolles zu finden, das mitzunehmen sich lohnt. Meist sind es Flaschen aus Glas oder Plastik, die gesammelt werden, um sie im nächsten Supermarkt zu Geld zu machen. Bei den Menschen fällt mir besonders auf, dass es nicht durchgehend Personen sind, die umgangssprachlich dem Penner-Milieu zugerechnet werden. Im Gegenteil sind es oft ganz normal gekleidete Menschen, bei denen ich es mir nicht vorstellen konnte, dass sie es nötig haben könnten, im Müll anderer Menschen zu kramen.
Es tut mir weh, diese Menschen zu sehen und mir vorzustellen, wie ihr Leben aussieht. Sie tun mir leid, weil es in meinen Augen erniedrigend ist, zusätzlich zu irgendwelchen Sozialleistungen in dieser Weise vom Müll Anderer leben zu müssen. Wie klein mag man sich fühlen, wenn diese Notwendigkeit zum Alltag des Lebens gehört. Und dann fiel mir mein komisches Verhalten ein, als die Bügelflasche am Straßenrand lag.
Meine Freundin reagiert bisweilen mit Unverständnis und Entsetzen, mit neckender Ironie und fragenden Blicken, wenn ich mal wieder davon getrieben werde, eine achtlos weggeworfene Flasche nicht liegen zu lassen. Ich könnte sie ja der Wiederverwertung zuführen und den Flaschenpfand einlösen, anstatt sie eventuell der puren Zerstörungslust Anderer zu überlassen. In diesen Momenten fühle ich mich den Mülleimerkramern verbunden. Ich sehe einen Wert, auch wenn er sehr gering ist, und die sinnlose Zerstörung, der achtlose Umgang und die Geringschätzung geht mir nicht in den Kopf. Irgend jemand bezahlt doch den Pfandwert und schmeißt ihn dann einfach weg? Haben sie alle derart viel Geld übrig, sodass dieser kleine Betrag nichts mehr wert ist?
Andere Menschen sammeln Aktien, Immobilien, Oldtimer oder wertvolle Uhren. Viele Menschen, auch viele meiner Freunde, stehen wirtschaftlich deutlich besser da als ich. Denke ich vielleicht „viel zu klein“ – und kann aus dem Gefühl der Kleinheit heraus nur so klein handeln? „Wer den Pfennig nicht ehrt, ist des Talers….?“ Hätte ich in meinem Leben vielleicht mehr erreicht, wenn ich „größer“ gedacht hätte?
Natürlich ist die Frage müßig, wenn man das letzte Lebensdrittel begonnen hat und man es ohnehin nicht mehr ändern kann. Und doch bohrt diese Frage in mir: Wie ist es mit dem „Wert“? Bin ich kleinlich und mache mich lächerlich, wenn ich mich nach einer 1 Cent-Münze bücke? Oder wenn ich eine Flasche aufhebe, die am Straßenrand liegt? Oder dafür sorge, dass bei mir keine Lebensmittel verderben? Oder mir etwas nicht gönne, weil es Geld kosten würde? Vielleicht ist es die Kindheit, die hier entbehrungsreich durchscheint. Sollte ich mich ändern, viel größer denken und den „Kleinkram“ am Wegesrand ignorieren?
Was würde dann aber aus den Flaschen?
Lieber Matthias, bei uns am Pfandautomat stehen jeden Tag etliche Flaschen, gerade solche 1l Flaschen, die in Colakisten gehören, oder die 0,33l Bierflaschen, die wir ja nicht annehmen, die nehme ich immer mit. Schliesslich ist das bares Geld. Ich lös die dann im Edeka ein und das Geld geht in die Kaffeekasse. Schön mal wieder von Dir zu lesen….pass auf Dich auf und bleib gesund. Bussi, Inken
Deine Gedanken kenne ich gut. Ich hebe auch oft Pfandflaschen oder Dosen auf und bringe sie zurück, weil ich es auch nicht ertragen kann, dass die Leute sowas einfach auf die Strasse stellen. Ich fühle mich dabei aber weder klein noch geldgierig, sondern möchte gerne da, wo ich mich bewege, ein wenig Ordnung haben. Manchmal schüttle ich aber auch über mich selbst den Kopf . . .
Schönes Nachdenken und des Nachdenkens würdig! Ich sehe so etwas auch mit Unverständnis – DIE WÜRDE DES MENSCHEN IST UNANTASTBAR!!!
Lieber Matthias,
schön, wieder von dir zu lesen.
Wer bestimmt was groß ist oder klein? Der geringe Wert einer Sache kann für den Betroffenen was Großes sein. Mir sind die kleinen Dinge im Leben sehr wichtig. Ich erlebe Flaschensammler oft mit ganz großer Würde bei ihrem Tun.
Einige Gedankensplitter von mir.
Herzlich grüßt aus Würzburg
Irene