Der Nordostwind war ziemlich kalt und beißend, als ich vor ein paar Tagen auf einer Wanderung war. Eine alte Burgruine musste als Ziel herhalten, damit ich es schaffte, mich aus der Wohnung heraus zu begeben. Mich ohne ein Ziel, nur so zum Spazierengehen auf den Weg zu machen, fällt mir noch immer schwer. Als ich dann unterwegs war, ging das Laufen von ganz allein. Und gut eingepackt war der Weg auch angenehm zu gehen und die zehneinhalb Kilometer keine Herausforderung.
Am Ziel angekommen wollte ich nicht den gleichen Weg zurück gehen. Also musste eine Alternative her, die auch schnell gefunden war, denn hier ist alles ziemlich gut beschildert. Aber die Brücke über den Neckar war gesperrt, warum auch immer. Wie also weiter? Nach einem kurzen Moment des Zögerns zog ich die Schuhe und Strümpfe aus, krempelte die Hosenbeine hoch und watete durch den Fluß, der an dieser Stelle träge und flach in seinem Bett fließt. Die Steine waren sehr glitschig, sodass vorsichtiges Gehen angesagt war. Das Wasser war kalt, aber nicht tiefer als knapp bis zum Knie. Und natürlich waren die Füße danach krebsrot vor Kälte, aber die Sonne tat gut, um die Beine wieder auf Temperatur zu bekommen. Und bald ging es weiter.
Etwas später führte der Weg, der die ganze Zeit als schmaler Trampelpfad am Ufer entlang ging, wieder über eine Brücke auf die andere Seite des Neckars. Auf dieser Brücke blieb ich einige Minuten stehen und hörte auf die Geräusche der Natur. Und ich bemerkte plötzlich das starke Herzklopfen, das ich vorher nicht gehabt hatte. Ganz plötzlich war ich mit meinem Erleben wieder auf dem PCT. Die relative Stille der Natur, das Plätschern des Flusses in Verbindung mit dem fast wie ein Abenteuer empfundenen Waten durch den Neckar brachte all das wieder an die Oberfläche, was inzwischen eine schon ziemlich entfernte Erinnerung geworden ist. Ich wäre so gerne wieder unterwegs, schliefe im Zelt und hörte auf die Geräusche der Natur, auch wenn mir bewusst ist, dass ich verschiedene Aspekte der Fernwanderung schnell wieder verfluchen würde. Zum Beispiel das Fehlen der morgendlichen Dusche….
Es ist fast genau drei Jahre her, dass ich von Würzburg aus aufgebrochen bin. An Karfreitag ging mein Flieger, am Wochenende vorher hatte ich meine Wohnung ausgeräumt, sie dann übergeben, die letzte Therapiestunde hinter mich gebracht und sogar noch das Auto verkauft. Alles, was ich danach noch brauchte, fand Platz in meinem Rucksack. Noch immer erscheint es mir ganz unglaublich, dass tatsächlich ich es war, der das getan hatte. Was war das für eine irre Zeit und wieviel hat sie mir gebracht! Jetzt, wenn ich das aufschreibe, fühle ich ein Glück darüber, ein Stück des langen Weges gegangen zu sein. Und es ist ebenso ein Glück, zu fühlen, dass ich diesen Weg noch einmal gehen werde, diesmal vollständig, irgendwann in der nicht allzu fernen Zukunft.
Diese unglaublich intensive Zeit des Aufbruchs, so Angst einflößend und extrem anstrengend sie auch war, mit riesigen Selbstzweifeln und dem Gefühl, keinen Boden mehr unter meinen Füßen zu haben: Ich wünschte, ich könnte die Zeit zurück drehen, um sie noch einmal erleben zu können. Und mich dann wieder auf den Weg zu machen.
…aber Du bist doch immer noch auf dem Weg…nur ist es jetzt eine neue Richtung…aber es ist immer noch DEIN Weg… LG