Kollision

„War es Ihr Erste?“ fragte er, und als ich bejahte, fügte er hinzu: „Es kommen noch zwei….!“

Es ging nicht um Frauen oder ähnlich spannende Themen. Es ging um einen Schaden, den ich an einem unserer Fahrzeuge verursacht habe. Ich hatte gestern beim Ansetzen zu einer Wendung aus dem Augenwinkel eine bessere Stelle dafür entdeckt. Daraufhin hatte ich, ohne lange nachzudenken, die neue Stelle anvisiert und fuhr an, ohne darauf zu achten, dass ich dafür etwas anders hätte stehen müssen. Dabei schrammte ich mit dem äußersten, rechten, unteren Rand des Fahrzeugs an einer Mauer entlang. Es gab ein lautes Geräusch, das mich darauf aufmerksam machte, dass der Bus hinten deutlich ausschert, wenn man starke Kurven steuert. Was ich ja eigentlich auch vorher bereits wusste. Der Mauer ist nichts passiert, dafür ist die Ecke des Fahrzeugs soweit verschrammt, dass sie Löcher bekommen hat, sie besteht ja nur aus Kunststoff. Und natürlich sieht es nicht gut aus – und ich habe das verursacht.

Mir blieb keine Zeit, mich innerlich zu ordnen, denn meine Gäste warteten bereits vor dem Hotel. Und ich wollte mir ihnen gegenüber auch nicht anmerken lassen, wie sehr mich mein Fahrfehler ärgerte und in meinem Stolz angegriffen hatte. Aber der Schaden blieb nicht unbemerkt und ich wurde mehrfach von den Mitfahrenden  darauf angesprochen. Und sagte ehrlich, dass ich das selbst gewesen war und wie sehr es mich wurmte, dass mir das passiert war. Als ich dann zurück im Reisezentrum war, traf ich einen jungen Kollegen, der an seinem Bus die hintere Lampe kaputt gefahren hatte, die bei meiner Kollision an meinem Bus heil geblieben war. Er nahm das relativ leicht, mit dem Hinweis, dass so etwas einfach passiert, wenn man viel fährt.

Heute morgen habe ich, bevor ich frühstückte, meinen Betriebsleiter kurz aufgesucht und ihm berichtet. Ich brachte zum Ausdruck, dass es mir leid tut und wie sehr es mich selbst ärgert. Und entgegen meiner Befürchtung war es kein großes Thema für ihn, er wollte nur wissen, wie es passiert ist. Und unser Disponent, mit dem ich später sprach, brachte gelassen den obigen Spruch. Alle kennen mich inzwischen soweit, dass sie wissen, dass ich nicht leichtfertig oder fahrlässig mit den Fahrzeugen umgehe und nehmen es daher mit Gelassenheit hin. Und alle sehen es realistisch, dass so etwas mal passieren kann. Nur ich nicht.

Warum nehme ich es so schwer? Ich bin mal wieder mit mir selbst kollidiert. Mein Anspruch an mich macht es mir ziemlich schwer, mir diesen Fahrfehler zu verzeihen. „Das darf mir doch nicht passieren“ – dieser Perfektionismus hat mir seit gestern die Stimmung nachhaltig verdorben. Dabei war es ein schöner Tag, die Gruppe war gut gelaunt, ziemlich pflegeleicht und großzügig beim Trinkgeld. Nur ich war nicht großzügig mit mir. Das Thema verfolgte mich bis in die Nacht und machte den Schlaf unruhig. Und das Verständnis meiner Vorgesetzten entspannt mich nur langsam und zögernd. Warum kann ich mir einen Fehler so wenig verzeihen, wenn es Andere doch können?

Kollision

Ein Gedanke zu „Kollision

  • 20. Juni 2018 um 22:01 Uhr
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    Lieber Matthias…Du willst einfach immer so perfekt sein….und dann kommt halt das Leben dazwischen. Du sollst ja nicht nachlässig sein oder eine „Scheissegaleinstellung“ bekommen, aber nimm nicht immer Alles soooo eng :-).Bussi, Inken

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