Besorgnis

Es gibt ein witziges Gedicht eines unbekannten Autors, das ich, obwohl ich es bereits zum Ende meiner Schulzeit kannte, zwischenzeitlich jedoch vergessen hatte. Es ist im Stil der Schöpfungsgeschichte geschrieben und handelt von verschiedenen, physikalischen Gegebenheiten, deren Verständnis mir als Schüler weitgehend versagt blieb. In den letzten Tagen gingen mir ein paar Zeilen davon durch den Kopf und ich machte mich auf, den Text im Internet zu finden, was auch mühelos gelang:

„Am Anfang, da war Aristoteles,
und ruhende Objekte neigten dazu, weiter zu ruhen,
und bewegte Objekte neigten dazu, zur Ruhe zu kommen,
und bald kamen alle Objekte zur Ruhe,
und Gott sah, dass dies langweilig war.“

Es kommt ja eher selten vor, dass mir etwas durch den Kopf geht, ohne einen direkten Zusammenhang mit mir zu haben. Immer wieder blicke ich zurück auf die vergangenen zwölf Monate und bin selbst erstaunt über die Veränderungen, die es in meinem Leben gegeben hat und die ich zum großen Teil selbst initiiert habe, auch wenn mir viele Menschen, besonders meine Freunde, bei der Umsetzung geholfen haben. Ich bin in Bewegung gekommen, habe mich auf den Weg gemacht und viele Strukturen verändert, die mir früher wie ein Gefängnis erschienen, als wäre ich in Beton erstarrt. Es fühlt sich heute, im Rückblick, so an, als ob ich alles richtig gemacht hätte. Ich bin froh, dass ich es so sehen kann, auch wenn nicht alles so gelaufen ist, wie ich es angestrebt oder erhofft habe. Aber das ist ja immer so.

Deshalb beschäftigt es mich zur Zeit sehr, wie ich es anstellen könnte, abweichend von dem Aristoteles‘ schen Gesetz nicht zur Ruhe zu kommen. Ich möchte gerne in Bewegung bleiben, nicht langweilig werden. Und merke dabei, dass es mir sehr schwer fällt, mir selbst auszumalen, wie ich mein Leben möchte. Mir ist schon klar, dass ich nicht jedes Jahr einen solchen Umbruch wagen und einen Fernwanderweg im Ausland laufen kann. Und es ist mir bewusst, wie stark noch immer der Gedanke ist, was andere Menschen über mich und das sagen, was ich tue. Ich möchte mich gerne davon frei machen, mir ist aber klar, dass das noch ein langer Weg ist.

Ich glaube, mir fehlt das Gefühl von Aufregung und Anspannung angesichts einer großen Unternehmung, diese Mischung aus Vorfreude und Angst angesichts der absehbaren Realisierung eines langgehegten Wunsches. Nun ist es ja so, dass sich neue, spannende Dinge in meinem Leben tun. Immerhin habe ich bereits eine vierstündige Fahrt am Steuer des Fahrschulbusses hinter mir, die mir viel Freude gemacht hat. Zu meiner eigenen Überraschung war ich nicht aufgeregt oder angespannt, mir war im Voraus klar, dass ich noch nicht perfekt würde fahren können, dass aber die Fortbewegung im Verkehr für mich kein Problem sein würde. Der laufende Kurs zur Erlangung des Führerscheins für Busse ist dagegen für mich zu leicht und somit keine Herausforderung. Und auch, wenn ich an eine Wanderung denke, die ich gerne in diesem Jahr machen würde, so ist es doch eine ganz andere emotionale Situation als im vergangenen Jahr.

Werde ich wieder „langweilig“, indem ich einen Job annehme, erneut eine Wohnung habe und ein geregeltes Leben führe? Warum stört mich dieser Gedanke? Gäbe es überhaupt eine Alternative dazu? Und wie möchte ich eigentlich gerne sein?

Besorgnis

Ein Gedanke zu „Besorgnis

  • 15. Februar 2018 um 14:06 Uhr
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    Lieber Matthias!

    Was mir in den Kopf kam, nachdem ich Deine Zeilen zuende gelesen hatte, war:

    „Du bist.“ und: „Wer ist Gott?“

    Mehr war es eigentlich nicht und ist es auch nach den paar Tagen zusammenfassend auch nicht geworden, aber es sind vielleicht noch ein paar ergänzende Worte notwendig… 😉

    Neulich kitzelte ich für mich die Zeilen auf: „Ich muss mich sein lassen. Um mich anzutreffen. Um mich beschnuppern zu können. Erst dann kann ich mich annehmen.“

    Du bist unterwegs (egal wo und wie Du lebst). Da ist es doch nie richtg langweilig.

    Und wenn Du angekommen bist, wohin Du willst, ist es egal.

    So lange, bis es vielleicht wieder an der Zeit ist, aufzubrechen. Nach Minuten, Tagen oder Jahren, vielleicht für immer oder auch nicht.

    Und jetzt lasse ich „es“ sein und da stehen.

    Nur Mut. Und Herz.

    Karin

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