Im Mal-Raum der Klinik Heiligenfeld in Uffenheim, in der ich im vergangenen Jahr zusammen fast zwanzig Wochen war, hing ein von früheren Patienten gemaltes Spruchband. Es sollte den aktuellen Patienten dabei helfen, für ihre individuellen Themen einen gestalterischen Ausdruck zu finden. Darauf stand zu lesen: Ausdruck vermindert Druck!
Manchmal merke ich, wie richtig und wahr dieser Spruch ist. Oftmals merke ich es allerdings viel zu spät. Das sind dann Situationen, in denen ich mit einem mich belastenden Thema herumlaufe, den Druck spüre und trotzdem keine Möglichkeit finde mir Erleichterung dadurch zu schaffen, dass ich es ausspreche. Zum Beispiel dann, wenn der Adressat nicht erreichbar ist oder mir der Groll oder die Angst selbst im Weg steht.
In der Therapie habe ich gelernt, wie erleichternd es ist, Dinge endlich auszusprechen. Schwer wird es besonders dann, wenn man manche Dinge vorher noch nie ausgesprochen hat. Damit habe ich im vergangenen Jahr begonnen. Auf dem Weg wollte ich das fortsetzen. Dies habe ich getan, als ich meinen Brief an Robert schrieb. Es ist mir schwergefallen, ihn zu schreiben, ehrlich zu sein und Dinge auszusprechen, die ich vorher noch nie gesagt habe. Ich habe tagelang mit Inhalt, Form und Formulierungen gerungen und dabei gemerkt, mit welcher Last, mit welcher innerer Last ich da unterwegs war. Die Schritte fielen mir schwer und die Leistung ließ von Tag zu Tag mehr nach.
Und zu meiner Überraschung wurde das vollkommen anders, nachdem ich meinen Brief geschrieben hatte. Dies war am Abend geschehen und am nächsten Morgen war ich, trotz Frost und leichtem Schnee, gut gelaunt und mit festem Schritt unterwegs, mühelos 22 Meilen machend. Ich hatte das Gefühl, von einer Last befreit worden zu sein, nein, eine Last abgelegt zu haben! Ähnliches habe ich in der vergangenen Woche erlebt. Erst als ich bei der Begegnung mit Florian all meine Verzweiflung, meinen Frust und meinen Wunsch nach Beendigung des Weges aussprach, merkte ich, wie extrem niedergeschlagen ich war. Gleichzeitig jedoch wurden wieder Kräfte frei, um die nächsten Meilen schaffen zu können. Zudem wurde die Niedergeschlagenheit ersetzt durch eine vernünftige, gedankliche Auseinandersetzung mit dem Problem und der Erarbeitung von Lösungsansätzen. Ich hatte eine Last abgelegt, die mich bis dahin blockiert hatte.
Ich habe danach auch kein Geheimnis daraus gemacht, dass es mir nicht gut ging. Ich bin damit nicht hausieren gegangen, aber auf Nachfrage habe ich ehrlich geantwortet. Und erlebte dadurch auf einmal die Zuwendung der Mitglieder unserer Wandergruppe, die mir durch Umarmungen und Zuspruch gut getan und das Durchhalten ermöglicht hat.
Und eigentlich ist es auch keine neue Erkenntnis. Als ich damals, nach langem Zögern, Christine gegenüber meine Gefühle aussprach, erlebte ich eine ungeahnte Erleichterung, obwohl ich einen Korb bekam. Ähnlich ist es mir mit Renate ergangen. Bei ihr habe ich keinen Korb bekommen, aber der Druck, unter dem ich vorher gestanden hatte, war der gleiche gewesen. Ausdruck vermindert Druck!
Warum aber ist es so schwer, wenn es darum geht, die Einhaltung meiner eigenen Grenzen einzufordern und für mich zu sorgen? Warum ist es mir noch immer unmöglich, zu jemandem zu sagen: Es passt nicht, wir können nicht miteinander laufen. Wo ich doch eigentlich weiß, dass ich dazu berechtigt bin, diese Grenze zu ziehen. Da liegt glaube ich noch viel Arbeit vor mir!
Aber wie war es, als ich mir eingestand, dass ich nicht mehr weitergehen kann? Als ich mich entschied, den Waldweg abwärts Richtung Chester zu gehen, anstatt auf den Trails zurückzugehen? Als ich eine Entscheidung fällte, die sich wenigstens nicht falsch anfühlt? Ich glaube, auch hier bin ich eine Last losgeworden. Eine Last, die dadurch entstanden ist, dass ich glaubte, gegen mein Gefühl gehandelt zu haben. Mir selbst treu bleiben – das scheint eine Möglichkeit zu sein, Lasten ablegen zu können. Egal, ob ich mich abgrenze, jemandem meine Gefühle eingestehe oder für mich sorge. Das sollte ich wirklich üben!
Hallo Matthias,
endlich komme ich mal wieder dazu, mir Deine diversen Berichte in Deinem Block anzusehen.
Aber erstmal: Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag (nachträglich). Das Du gerade jetzt so viele Zweifiel hast, ob weiter auf dem PCT oder nicht., ist nicht verwunderlich. Hat denn überhaupt jemand an Deinen Geburtstag gedacht?
Aber wie Du dich auch entscheidest, niemand wird Dich als „Looser“ abkanzeln. Höre auf Dein Gefühl. Ich denke oft an Dich und freue mich, Dich spätestens im Herbst wiederzusehen.
Norbert