Es ist 7:10 Uhr und ich bin gerade aufgewacht. Ich habe sehr schlecht geschlafen. Das Rödeln der Klimaanlagen stört meine Ruhe und ich sehne mich nach der Stille meines Zeltes in der Nähe des Trails. Draußen scheint die Sonne und mein Blick aus dem dunklen, eher etwas ranzigen Motelzimmer geht, noch im Liegen, auf die sonnenbeschienenen und schneebedeckten Gipfel der Sierra. Es ist hier Sonntag, mein zweiter Ruhetag.
Und in dem Begriff „Ruhetag“ steckt schon die neue Klarheit drin. Denn es wird weitergehen! In dem Gefühl, dass ich ausreichend Zeit habe, um in Ruhe nachzudenken, lasse ich mir Zeit für die Entscheidungen und die Planung. Jedoch ist bereits klar, dass ich den Weg weitergehen werde, aber den gefährlichen Teil der Sierra zunächst überspringen werde.
Ich spreche mit vielen Hikern, die ich hier treffe – und es sind unglaublich viele hier. Auch meine Schweizerin Romana habe ich gestern wieder getroffen, sie wohnt im gleichen Motel. Und es ist bemerkenswert, wie viele von ihnen an dieser Stelle abbrechen oder einen Abschnitt überspringen. Das Bewusstsein für die Gefahr ist deutlich ausgeprägt, besonders bei den routinierten Wanderern. Durch diese Gespräche habe ich verschiedene Möglichkeiten abgewogen, und meine derzeitige Überlegung geht dahin, von hier aus nach Ashland zu fahren, um dort wieder auf den Trail zu gehen. Ich würde dann die Staaten Oregon und Washington vorziehen und Nord-Kalifornien danach machen. Das wäre dann im September, wenn der alte Schnee längst weggetaut und der neue noch nicht gefallen ist.
Dieser vorläufige Plan scheint ganz gut zu sein, er wird auch von den routinierten Wanderern als äußerst sinnvoll betrachtet. Und so hat sich bei mir auch bereits wieder eine innere Sicherheit eingestellt. Die Satellitenbilder beider Staaten, die ich im Internet einsehen konnte, lassen den Schluss zu, dass die dortigen Schneemengen im Vergleich zur Sierra lächerlich sind. Und so werde ich wieder laufen. Vielleicht schon am Dienstag, eher aber am Mittwoch.
Es geht weiter!
Hallo Matthias,
wie schön, dass Du uns hier alle so schonungslos ehrlich an Deinen Erlebnissen (äußerlich und innerlich) so teilhaben lässt. Ich glaube, dass nur wenige den Mut hätten, dies so zu leben.
Es freut mich, zu lesen, dass es für Dich ein „weiter“ gibt und Du die kommenden Wegstrecken wieder positiv betrachtest. Es ist DEIN Weg, egal, welche Route er auf der Landkarte einzeichnet und wie lange er dauert.
Sei lieb gedrückt, Nico
Lieber Matthias, viel Erfolg weiterhin, schön, dass Du weiter wanderst. Alles Liebe, Inken